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Märchenhaft, träumerisch, Geschichten erzählend – das sind die Tierfotografien von Tanja Brandt. Ihr liebstes Motiv: die Eule. Ein geradezu sagenhaftes Fotoobjekt, das mühelos von der griechischen Mythologie bis zu Harry Potter segelt. Ihr eigenes „Nest“ fand die Falknerin und Buchautorin in einer Pflegestation für Wildvögel.

Die erste Eule zog 2013 bei Tanja Brandt ein: Poldi, ein sechs Monate alter Steinkauz. Er eroberte nicht nur das Herz seiner neuen Besitzerin, sondern auch das von Ingo, ihrem Malinois-Rüden. Bis dahin ein nervöser Hund und „ewiger Eigenbrötler“, adoptierte er die Eule vom Fleck weg. Zum großen Glück für den nur 22 Zentimeter kleinen Vogel: Als beim nächsten gemeinsamen Spaziergang Gefahr drohte, setzte er sich blitzschnell zwischen die Stehohren seines imposanten Freundes – und ging lauthals in die Verteidigung. „Die positive Wandlung, die auch Ingo durch die Nähe und das Vertrauen des kleinen Poldi machte, erstaunte mich jeden Tag aufs Neue“, erinnert sich die 52-Jährige. „Ich denke, es waren die Aufgabe und die Aufmerksamkeit, die ihm bislang gefehlt haben.“

Mit dem ungleichen Paar kam auch Brandts beruflicher Neustart in Fahrt: Die gelernte Bürokauffrau, die mit ihrem damaligen Ehemann eine Spedition betrieb, hängte nach einer schweren Erkrankung ihren alten Job an den Nagel und stellte sich hinter die Kamera. „Dabei waren die ersten Ergebnisse“, sagt sie heute, „katastrophal.“ Das hielt sie allerdings nicht davon ab, hartnäckig weiterzumachen, sich fortzubilden und sich schließlich als Tierfotografin einen Namen zu machen. „Mit der Zeit gab ich erste Foto-Workshops, Coachings, hatte Shooting-Kunden und machte Collagen“, so Brandt. „Eine große Seite auf Facebook teilte meine Bilder, und den ganzen Tag klingelte das Telefon. Zeitungen, Zeitschriften, Magazine riefen an“ – sie alle wollten ihre ungewöhnlichen Aufnahmen drucken. Heute kann die Tierfreundin von den Büchern und Kalendern, T-Shirts und Postern, die sie mit ihren Bildern produziert, leben.

Dabei ist die fotografische Inszenierung von Eulen durchaus anspruchsvoll. „Sie ordnen sich nicht unter, niemals. Die Arbeit mit ihnen ist überhaupt nicht planbar. Wenn sie schlechte Laune haben, geht gar nichts“, stöhnt Brandt. Abrichten lassen sich Eulen, man ahnt es bereits, auch nicht. Kleine Aufgaben wie: „Wenn du dorthin fliegst und wartest, gibt es ein Leckerchen“, können sie zwar lernen – aber auch nur, wenn sie wollen. „Im Zweifel sitzen Eulen einfach alles aus.“

Und, genau betrachtet, ist eben dieser „dicke Kopf“ auch das, was ihre besondere Wirkung auf uns Menschen ausmacht: Die runde Kopfform, die großen, nach vorn gerichteten Augen, die wangenähnlichen Gesichtsflächen, der kleine, wie eine krumme Nase anmutende Schnabel und die aufrechte Haltung erinnern uns an unsere eigene Gestalt. Mit ihrer Physionomie unterscheiden sich Eulen so deutlich von anderen Vogelarten, dass sie zum gefundenen Fressen für allerlei Symbolik wurden. Von alters her gelten sie beispielsweise als Inbegriff der Weisheit. Ihre bedächtigen Bewegungen, ihr ruhiger, klar ausgerichteter Blick mögen dazu beitragen. Auch Brandt erlebt die Gegenwart ihrer Eulen als entschleunigend: „Wenn mein Uhu langsam seinen Kopf dreht und mich anschaut, dann hält die Zeit an. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber es ist so.“ 

Fast alle Eulenarten gelten in Deutschland als gefährdet. Ein guter Grund für die Falknerin, selbst Steinkäuze zu züchten. „Leben sie bei uns in Volieren, können sie 20 Jahre alt werden“, erklärt sie. „In freier Wildbahn jedoch überleben viele nicht das erste Jahr und werden maximal vier.“ So ist es für die Tierfreundin immer ein zweischneidiges Schwert, ihre Nachzucht auszuwildern – und doch macht sie weiter. In diesem Jahr startet sie sogar einen Zuchtversuch mit Schleiereulen – die ersten Eier sind da. 

Tanja Brandt lebt und arbeitet ehrenamtlich in der Paasmühle in Hattingen, einer Pflegestation für Eulen, Greif- und Wasservögel. Hier finden auch ihre Tierfoto-Workshops statt, bei denen ihre eigenen Eulen zum Einsatz kommen. „In der Paasmühle kümmern wir uns im Jahr um rund 1.700 verletzte Vögel, die bei uns abgegeben werden“, erklärt sie. Wer ihre Arbeit unterstützen möchte, von dem sind Spenden willkommen (alle Infos unter: www.paasmuehle.de). Die Pflegestation erhielt 2014 den Deutschen Tierschutzpreis. 

Text: Kerstin Rubel. Publikation: Zum Hofe (01/2021). Herausgeber: QS Qualität und Sicherheit. Bildnachweis: Tanja Brandt