Hundenase
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Spürhunde suchen nach Drogen und Schmuggelwaren, nach vermissten Menschen, nach Schimmelsporen oder Wanzen. Von einer ganz anderen Spielart erzählt nun Ute Hoyer-Tomiczek. Die Biologin ist am Bundesforschungszentrum für Wald (BfW) in Wien beschäftigt und entwickelte dort eine spezielle Ausbildung für Käfer-Spürhunde. Sie haben ein Näschen für gefährliche Forstschädlinge wie den asiatischen Laubholzbockkäfer, den Citrusbockkäfer oder den Borkenkäfer.

Meist ist es billiges Bau- und Verpackungsholz, in dem sich der asiatische Laubholzbockkäfer (ALB) versteckt. Es bietet ihm eine Fahrkarte von Ostasien nach Europa. 2001 tauchte der gefürchtete Holzschädling erstmals im österreichischen Braunau auf und „die ehrenvolle Aufgabe für uns war es, ihn aufzuspüren und zu bekämpfen“, erinnert sich Ute Hoyer-Tomiczek. „Dabei war uns der Käfer meist eine Flügellänge voraus. Denn bis ein Baum Schadsymptome wie Bohrlöcher zeigt, sind die neu herangewachsenen Insekten schon ausgeflogen und haben sich verbreitet.“ Erst 2009 änderte sich das. Von da an setzte das BfW auf die Hundenase. Mit ihrer Hilfe konnten befallene Weiden, Pappeln, Ahorne oder Obstbäume frühzeitig erkannt und so die Schädlingsverbreitung unterbrochen werden. Eine Entwicklung, an der Hoyer-Tomiczek, die privat seit vielen Jahren Jagdhunde führt, wesentlich beteiligt war. Gemeinsam mit der Spürhundeführerin und Biologin Dr. Gabriele Sauseng konzipierte sie die weltweit erste Ausbildung zum Käfer-Spürhund. Dabei hatte sie nicht nur den ABL, sondern auch den „CLB“ im Visier: Der Citrusbockkäfer ist ein nicht weniger schädlicher Artverwandter. Er befällt die Zitruspflanzen seiner asiatischen Heimat und rund 100 verschiedene Laubgehölze.

An einen ersten Großeinsatz, den die Spürhunde leisteten, erinnert sich Hoyer-Tomiczek lebhaft: Der niederländische Pflanzenschutzdienst rief im Frühjahr 2010 um Hilfe. Seine Inspektoren hatten in einer Lieferung, die ein Importeur aus China erhalten hatte, zwei Pflanzen entdeckt, die vom CLB befallen waren. Schlimm genug. Aber gab es vielleicht noch mehr davon? Hoyer-Tomiczek rückte mit ihrer Kollegin und vier Spürhunden an. Drei Tage lang untersuchten sie die fragwürdige Lieferung. Am Ende waren es 15.000 Pflanzen, die die vier Nasen passierten. Bei sieben von ihnen schlugen die Tiere an. Funde, die das Labor in sechs Fällen bestätigte, es entdeckte erneut Larven des gefürchteten Käfers. „Ein niederländischer Kollege stellte das Ergebnis kurz darauf dem Ständigen EU-Ausschuss für Pflanzenschutz vor. Am Ende, es kamen noch weitere Aspekte hinzu, verhängte dieser ein zweijähriges Importverbot für die betroffene Pflanzenart gegenüber China“, erinnert sich Hoyer-Tomiczek, die immer wieder mit Pflanzenschutzdiensten in den Niederlanden, der Schweiz, Italien, Kroatien, England und Deutschland zusammenarbeitet.

Geht es raus in einen Wald, in dem Quarantäneschädlinge wie ALB und CLB vermutet werden, sind meist mehrere Hunde am Start. Ein Spürhund kann maximal 30 Minuten am Stück seiner Suchaufgabe nachgehen, dann braucht er eine Pause und ein „Kollege“ löst ihn ab. Alle Vierbeiner arbeiten – quasi Hand in Pfote – mit Baumkletterern und Förstern, die ihrerseits nach Schadsymptomen suchen. In Sachen Geschwindigkeit macht den Vierbeinern aber keiner etwas vor. Etwa dann, wenn sie in einem vorgeschriebenen Radius von 100 Metern alle Wirtsbaumarten kontrollieren, die um einen befallenen Baum herum wachsen. Einige von ihnen werden dazu präventiv gefällt. „Die Hunde klettern dann kreuz und quer über die liegenden Stämme und Baumkronen, oft in sengender Hitze.“ Es ist ein echter Knochenjob, den Hoyer-Tomiczek da beschreibt. Und doch ist sie infiziert von der Sucharbeit – ebenso wie ihre bislang drei eigenen Hunde, die sie für den Käfereinsatz ausgebildet hat. „Spürhunde lieben ihre Arbeit, oftmals so sehr, dass sie über ihre eigenen Kräfte hinausgehen und sich gar bis an die Fiebergrenze erhitzen. Hundeführer müssen ihre Tiere schon deshalb immer im Blick behalten.“

Sind die Spürhunde im Dienst, dann versuchen sie, möglichst nah an die Schädlinge heranzukommen. Nur so lässt sich die befallene Stelle dingfest machen. Wie die Tiere ihren Fund anzeigen, hängt vom jeweiligen Charakter ab: Während der erste Spürhund still vorsitzt und nur mit den Augen fokussiert – einmal die Geruchsquelle, einmal den Hundeführer und wieder zurück –, kratzt der zweite aufgeregt auf der Stelle, der dritte bellt in die verdächtige Richtung. Die gute Beobachtungsgabe des Hundeführers und das richtige Gefühl für seinen vierbeinigen Kollegen bewähren sich spätestens jetzt. Oder in extremen Einsatzsituationen, von denen Hoyer-Tomiczek zu berichten weiß: „Gabriele Sauseng und ich hatten in der Lombardei zu tun, in einem Gebiet mit Verdacht auf Citrusbockkäfer-Befall. Als wir in einen kleinen Wald kamen, rastete Jackson, einer unserer Käfer-Spürhunde, völlig aus. Wie ein irrer rannte er umher und bellte wild. Er ließ sich gar nicht mehr beruhigen. Wir brachen das Ganze schließlich ab und schickten ihn zur Abkühlung in einen See.“ Was aber war los mit Jackson? Machte der temperamentvolle Rüde Mätzchen, verweigerte er gar den Dienst? Am selben Tag noch stellte sich heraus, dass sämtliche Bäume in dem Waldstück, das er untersucht hatte, befallen waren. Sie zeigten bereits für den Menschen sichtbare Schadsymptome. Eine Reizüberflutung, die das fleißig arbeitende Tier über die Maßen reagieren ließ.

Seit 2011 bietet das BfW eine zehntägige Ausbildung zum zertifizierten, international anerkannten Käfer-Spürhundeteam an. In dieser Zeit lernt der Hund zunächst den spezifischen Käfergeruch kennen und wird durch positive Verstärkung darauf konditioniert. Für die Hundeführer gibt es neben der praktischen Arbeit auch einiges an Theorie, denn schließlich wollen auch visuelle Schadsymptome erkannt und Käferarten sicher unterschieden werden. „Ein spezielles Pilotprojekt für Borkenkäferspürhunde läuft bei uns in diesem Jahr mit einem Kooperationspartner an“, berichtet Hoyer-Tomiczek. Speziell mit zwei Borkenkäferarten (siehe unten) haben viele Fichtenbestände hierzulande schwer zu kämpfen. 50 Prozent von Hoyer-Tomiczeks Kundschaft machen bislang Privatleute aus, naturliebende Hundebesitzer, die nach einer sinnvollen, praxisnahen Beschäftigung für sich und ihr Tier suchen. Die andere Hälfte besteht aus Mitarbeitern von Pflanzenschutzdiensten, Forsteinrichtungen und anderen waldnahen Organisationen. Bislang nahmen 111 Vierbeiner und 90 Hundeführer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz an der Ausbildung zum Käfer-Spürhundeteam teil. Ihre Trefferquote im Realeinsatz (ALB) liegt bei 75 bis 88 Prozent, so das BfW.

Worauf aber springt der Hund bei seiner Suche eigentlich an? „Forscher von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg analysierten fünf Komponenten, aus denen sich der typische ALB-Geruch zusammensetzt“, erklärt die Biologin. „Die Spürhunde nehmen ihn in allen Entwicklungsstadien wahr: vom Ei über die Larve bis zum Käfer, auch im hinterlassenen Kot und in kleinsten Mengen Holzmehl, das aus den Bohrlöchern rieselt.“ Zweifellos beeindruckend. Aber manches aus dieser Hundeduftwelt ist für den menschlichen Denkapparat dennoch schwer zu begreifen. So etwa der Baum, den Andor, einer von Hoyer-Tomiczeks eigenen Suchhunden, einst anzeigte: Er wies, nachdem er gefällt wurde, einen geringen Käferbefall auf, den der Baum selbst bewältigt hatte. Sechs Jahre lag das bereits zurück, wie die längst überwallte, mittlerweile fest verschlossene Schadstelle verriet. Und doch fand die Hundenase immer noch so viele Duftmoleküle, dass sie Spürhund Andor eindeutig anschlagen ließ. Eine Spitzenleistung, die im menschlichen Hirn dann doch ein Fragezeichen hinterlässt. 


Borkenkäfer im Fichtenwald

Buchdrucker und Kupferstecher zählen zu den rund 150 in Europa vorkommenden Borkenkäferarten und gelten als besonders schädlich. Beide sind vorzugsweise auf den Baum aus, der in Deutschland am häufigsten wächst: die Fichte. Sie ist der „Brotbaum“ der deutschen Forstwirtschaft und wichtigster Holzlieferant des Landes. Borkenkäfer bohren in die Fichtenrinde Gänge und legen dort ihre Eier ab. Die späteren Larven ernähren sich von dem saftführenden Bastgewebe. Es gilt als die Lebensader eines Baums; wird es stark geschädigt, stirbt er in den meisten Fällen ab. Nicht so die Borkenkäfer: Sind sie dem Larvenstadium entwachsen, schwärmen sie aus und nisten sich in den umstehenden Bäumen ein. Starker Schneebruch oder lange Hitze- und Trockenperioden, die das Jahr 2018 reichlich bereithielt, schwächten Fichten in ihren natürlichen Abwehrmechanismen. Haben Forstschädlinge in größeren Nadelbaumbeständen einmal Fuß gefasst, können sie sich explosionsartig vermehren.   


Text: Kerstin Rubel. Publikation: Zum Hofe (02/2019). Herausgeber: QS Qualität und Sicherheit. Bildnachweis: Shutterstock (JitkaP, Anna Tronova)