Französische Lieblinge: Küchenkräuter aus der Provence
Die Provence! Einem Ausruf gleich steht dieser schöne Landstrich für ein genussvoll-entspanntes Lebensgefühl, das weit über die französischen Grenzen hinausreicht. Oder hinausduftet. Allerorten locken auf diesem gesegneten Stückchen Erde verheißungsvolle Wohlgerüche. Allgegenwärtig in den „Herbes de Provence“.
Wer durch die Provence reist, der reist durch ein Meer der Düfte. Die weiten Lavendelfelder von Sault, das würzige Bergbohnenkraut der Hochplateaus, die wilden Rosmarinbüsche an jedem Wegesrand, der Topf Basilikum auf dem Fensterbrett. Dazu die salzige Brise des nahen Mittelmeers. Diese Düfte lassen schnuppern, schwelgen und machen nicht zuletzt: jede Menge Appetit. Wie gut, dass die Reise in die Provence führte! In dieses sagenhafte Land, das seine Genüsse in die ganze Welt schickte: Bouillabaisse, Aioli, Ratatouille machte die Küche „à la provençale“ international. In ihren immer heißen Öfen schmort sie butterweiche Lammkeulen mit Knoblauch, mit Kräutern gefüllte Sardinenfilets und frisch gefangene Goldbrassen, auf deren knusprige Haut sie üppig Tapenade streicht – selbstverständlich aus hiesigen Oliven und Kapern. Dazu servieren ihre Keller gut gekühlten Rosé, der im Weinglas fröhlich glitzert und nur ein paar Rebstöcke weiter wuchs. Ein Gast, der sich obenauf noch nach etwas Süssem sehnt, der macht mit einer weltbekannten Crêpe Suzette, dekoriert mit einem tüchtigen Schuss Grand Marnier, gewiss nichts falsch.
Die Redensart „wie Gott in Frankreich“ schleicht sich bei so einem Gastmahl ganz von selbst ein. Wo ließen sich besser Feinschmeckerferien verbringen? Allein die hiesigen Städtenamen – Marseille, Nizza, Avignon, Arles, Aix-en-Provence – klingen nach Urlaub. Jahr für Jahr folgen ihrem Laut Heerscharen von Gourmets. Und Recht haben sie: Der Südosten Frankreichs versammelt in Stadt, Land, Fluss, an der Küste und in den Bergregionen so viel Schönes und Schmackhaftes, dass es jeden Besucher ehrt. Hier ist einfach gut vorgebaut: Das Mittelmeer sorgt für frische Doraden, Loup de Mer und Muscheln dazu, die Wiesen der Flusstäler für zartes Lammfleisch. An den Bäumen wachsen knallrote Kirschen, pralle Aprikosen, Zitrusfrüchte, Pfirsiche, Feigen und süsse Mandeln. Die Farben der Provence erstrahlen in Sonnenblumengelb, Weinrebengrün und – natürlich – Lavendelviolett. Dazwischen schimmern silbrig-grüne Olivenhaine. Im Spätsommer und Herbst durchstreifen die Pilzsammler die duftenden Wälder. Und in wenigen, ganz ausgesuchten Körben finden sich später dann sogar schwarze Trüffeln, die „rabasse“.
Stolz präsentieren die vielen kleinen Bauernmärkte die reichen Früchte, die die Felder hervorzubringen vermögen. Unter ihnen: Kräuter, Kräuter, Kräuter. In ihnen schlägt das aromatische Herz der Region. Und als „Herbes de Provence“ trugen sie Klang und Duft ihrer Heimat in die ganze Welt. Kaum ein Gewürzregal, in dem sich nicht ein Döschen mit ihnen finden ließe. Rosmarin, Thymian, Oregano und Bohnenkraut zählen zu ihren klassischen Ingredienzien: Der dem Lavendel so ähnliche Rosmarin versteht sich mit allen Arten von Fisch und Fleisch bestens, vor allem wenn er in eine vielversprechende Kräuterkruste eingearbeitet wurde. Ihm eifert der warm duftende Thymian nach, ein gern gesehener Gast in Schmorgerichten, auf gratiniertem Ziegenkäse oder auch mit Honig gesüssten Desserts. Zur gemeinsamen Verwandtschaft zählen der herbe Oregano und das kulinarisch so vielseitige, aber oftmals unterschätzte Bohnenkraut. Sie sind allesamt Lippenblütengewächse, die gerade im getrockneten Zustand ihr vollmundiges Aroma entfalten.
Neben diesen Klassikern finden sich in den „Herbes de Provence“ auch Majoran, Estragon, Fenchel, Basilikum, Lavendel und Salbei; je nach Geschmack. Frisch, getrocknet, gerebbelt oder als schmuckes Würzöl – auf vielerlei Weise präsentiert sich das aromatische Grün. Mit gutem Grund: So entstammt der Reiz der unprätentiösen Provence-Küche auch weniger den üppigen Marktständen heutiger Tage, sondern eher den kargen Töpfen vergangener. Auf den einst durch Abholzung karg gewordenen Hochplateaus siedelten vor allem wilde Kräuter. Kombiniert mit mildem Olivenöl, tüchtig Knoblauch und ehrlicher Kreativität prägten die „kleinen Wilden“ von nun an den Geschmack „provençal“.
Text: Kerstin Rubel. Publikation: Gewürz- und Kulinarikmagazin „pfeffer“ (01/2014). Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie. Bildnachweis: Shutterstock (Nailia Schwarz, Meandering Trail Media)