Patschull mit Messer
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Damaszener-Messer bestechen durch ihre einzigartige Optik: In gefalteten Lagen durchziehen mehrere Stahllegierungen die legendär scharfen Klingen. Markus Pattschull gehört zu den wenigen Damaszener-Schmieden, die es in Deutschland noch gibt. Seinen Arbeitsplatz – eine 1.200 Grad heiße Esse – hat er bei der Solinger Messermanufaktur Nesmuk. Während des Interviews ruht in ihr ein Block aus unterschiedlichen Werkzeugstählen, die er kurz zuvor miteinander verschweißt hat.

Woran arbeiten Sie gerade? „An einem Kochmesser, an mehreren vermutlich.“

Wie, Sie schmieden und wissen noch gar nicht was? „Aus schon bekannten Damastmustern kann ich immer neue zusammensetzen und kombinieren. Je nachdem, was sich während des Schmiedens abzeichnet, entscheide ich weiter. Das ist dann ein kreativer Prozess. So, es geht los …“

Das Stahlpaket hat in der Esse eine bestimmte Glühfarbe und damit die richtige Temperatur angenommen. Markus Pattschull zieht es hell leuchtend heraus, dreht sich um die eigene Achse, aktiviert mit dem rechten Fuß einen monströsen Lufthammer. Mit brachialer Kraft fährt das Ungetüm, Baujahr 1930er, auf das Metall nieder. Funken sprühen meterweit, in den Ohren kracht es. Geschickt lässt der Schmied den Stahlblock von einer Seite auf die andere kippen. Immer wieder fällt der Hammer hernieder. Danach schiebt er das Stück zurück in die Esse – schaler und länger ist es geworden.

Wie kommt es zu den viel besungenen Materialeigenschaften, etwa der Schärfe, für die Damaszener-Stahl steht? „Im Schweißverbund kann ich unterschiedliche Stahlsorten miteinander kombinieren. Hierdurch entstehen die besonderen Werkstoffeigenschaften. Es kommt beim Damastschmieden aber noch etwas Weiteres hinzu, das über die reine Summierung hinausgeht.“

Im Sinne von: Zwei und zwei sind fünf? Meinen Sie das?

Wieder bricht das Gespräch ab. Der Stahl ruft. Langsam wird es heiß in der Schmiede, Schweißperlen sammeln sich auf der konzentrierten Stirn von Markus Pattschull. Der ist übrigens nur halbtags Schmied, ansonsten Yogalehrer, Feuerartist, Tänzer, studierter Biologe. Sein Chef Walter Grave schwärmt mit großen Augen von der Kondition seines „begnadeten Mitarbeiters“.

90 Prozent Ihrer Kundschaft besteht aus Männern. Was fasziniert diese am Damaszener-Messer? „Es sind die organischen Strukturen, die sich in den Klingen bilden. Sie erinnern viele an Maserungen im Holz. In ihnen zeigt sich der Schaffensprozess, er ist wie eingefroren. Die ehemals einzelnen Schichten sind ja immer noch klar zu sehen.“

Und wie ist es mit all den archaischen Elementen? Mit dem Feuer, der Alchemie des Schmiedens, der rasiermesserscharfen Klinge …

Jetzt schweigt Markus Pattschull. Und strahlt. Wie sein Stahlpaket, das er erneut aus der Esse zieht und unter den Hammer legt. Anschließend lässt er es auf dem Boden abkühlen. Er wird es später mittig durchtrennen, beide Teile aufeinanderschweißen und erneut in die Glut legen. Zum ersten Mal haben sich dann die anfänglich 15 Lagen verdoppelt. 480 von ihnen besitzen Volldamast-Kochmesser der Nesmuk-Linie „Exklusiv“. Insgesamt beschränkt sich der 24-köpfige Betrieb auf vier Messertypen, die sämtlich auch in einer Monostahl-Variante, mit oder ohne Carbon-Beschichtung, zu haben sind.

Letzte Frage: Was war das Maximum an Schichten, das Sie je in einem Messer zusammengebracht haben? „Das werden an die 1.000 gewesen sein. Hier hört es dann aber auch auf. Schließlich muss das bloße Auge die einzelnen Lagen noch ausmachen können. Beim Damast entscheidet – neben den Materialeigenschaften – eben die Optik.“

Wenn die Arbeit des Feuerverschweißens und Schmiedens getan ist, wandert der Rohling weiter durch die Manufaktur: zum Glätten, Schärfen und Polieren. Die Behandlung mit Säure, die ein Goldschmied übernimmt, entlockt dem Metall seine Struktur: Je nach Kohlenstoffanteil frisst sie den Stahl unterschiedlich stark an. Dann erhält das Messer seinen individuell ausgesuchten Griff; beispielsweise aus 5.000 Jahre alter Mooreiche.

Text: Kerstin Rubel. Publikation: Gewürz- und Kulinarikmagazin „pfeffer“ (01/2015). Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie. Bildnachweis: Nesmuk