Indien in Farbe: Kurkuma, ein heiliges Gewürz
Wenn Indien eine Farbe hat, dann ist sie Gelb. Orangegelb, warm und erdig – so wie Kurkuma. Das Gewürz, ohne das kein Curry auskommt, schätzen Abend- wie Morgenländer. Fast imponierender ist allerdings sein Ruf als jahrtausendealte Heilpflanze. Die moderne Wissenschaft verhalf Kurkuma zur ungeahnten Renaissance. Eine Kulturgeschichte.
Einst galt Kurkuma als heilig, als strahlendes Symbol der Sonne – und damit des Glücks. Das machte das gelbe Pulver, bis heute, zum Stammgast bei indischen Festlichkeiten, vor allem bei Hochzeiten. Seit über 4.000 Jahren wird die Pflanze bereits kultiviert, im Wildwuchs könnte sie nicht überleben. Ihre Erträge finden seither Verwendung in der Küche, aber auch bei Ritualen, in der Kosmetik und beim Färben von Textilien. Die sonnengelben, reich verzierten Saris indischer Frauen erzählen davon auf schönste Art und Weise. In Speisen schmeckt das Gewürz dezent pfeffrig, holzig und erdig. Eine Spur von Ingwer kommt hinzu, im frischen Zustand ein leichtes Brennen. Im pulverisierten Zustand ist es Bestandteil einer jeden indischen Curry-Mischung. Es verleiht den zubereiteten Speisen die typisch gelbe Färbung. Zudem wirken die herben, leicht bitteren Geschmacksnoten des Kurkuma harmonisierend und binden die kräftigen Aromen anderer Gewürze gut ein. Die nächsten Familienmitglieder der Gelbwurz, wie das Knollengewächs auch genannt wird, sind Galgant und Ingwer. Ein Umstand, den die Wurzelstöcke eigentlich schon durch ihre äußere Erscheinung verraten.
Auch wenn sich das Rhizom von Indien aus in ganz Asien verbreitete, ist sein Heimatland nach wie vor Hauptanbaugebiet. Und Großverbraucher: 80 Prozent der jährlichen Welternte beansprucht der Subkontinent für sich. Denn auf ihm leben – aus deutscher Sicht – unvorstellbare 1,21 Milliarden Menschen, jeder fünfte Erdenbewohner ist ein Inder. Auch wenn die extrem kleinteilig strukturierte Landwirtschaft immer noch von Handarbeit und Ochsengespannen bestimmt ist, schafft es der Bundesstaat doch, sich fast aus eigener Kraft zu ernähren. Jeder zweite Inder arbeitet in der Landwirtschaft. In der gedeiht – neben zahlreichen anderen Gewürzpflanzen – auch die Kurkuma-Knolle.
Die ausgesprochen schöne, tropisch anmutende Staudenpflanze liebt Hitze und Regen gleichermaßen. Bekommt sie von beidem genug, dann streckt sie ihre schilfartigen Blätter bis zu einen Meter in die Höhe. Zudem treibt sie ansehnliche Blüten, weiße, aber auch rötliche und purpurfarbene. Ihr eigentlicher Schatz aber liegt in der Erde. Zur Erntezeit graben die Bauern die kultivierten Wurzelstöcke aus, säubern sie von der Erde und überbrühen sie mit heißem Wasser. Ein Prozess, der die Zellen öffnet, der so typische gelbe Farbstoff verteilt sich so gleichmäßig im gesamten Fruchtfleisch. Ausgebreitet auf Matten trocknet die Ernte anschließend in der Sonne, danach geht es zur frischen Verwendung in die einheimische Küche oder in die Gewürzmühlen, die den Export in Pulverform vorbereiten.
Licht- und luftdicht verpackt, tritt das sonnengelbe Gewürz dann seine Reise gen Abendland an. Hier fristete es lange ein Schattendasein. Erst über indische Restaurants und ihre zahlreichen Currygerichte, die auch hierzulande viele Liebhaber finden, öffneten sich der Wurzel die europäischen Gewürzschränke. Dabei lässt sich das dezente Kurkuma leicht mit der heimischen Küche verbinden: Eine Messerspitze des gelben Pulvers verleiht dem gewöhnlichen Kartoffelpüree einen geradezu sonnigen Auftritt. Feines Gebäck erhält eine buttrige appetitliche Gestalt, ebenso Nudeln, die im Kurkuma-Wasser gegart wurden. Dabei genügt so wenig Gewürz, dass es den gewohnten Geschmack nicht beeinträchtigt – die Optik dafür aber umso mehr bereichert.
Ein weiteres Argument für „mehr Kurkuma“ bietet zudem die Forschung: Zwar besitzt „Curcuma longa“, die meistverbreitete Kurkuma-Sorte, eine jahrtausendealte Tradition, seit sie jedoch die moderne Medizin entdeckte, ist ein wahrer Boom um die Heilpflanze ausgebrochen. Dabei sind es vor allem seine drei Prozent Curcumin, für die sich die Wissenschaftler interessieren. Es ist genau der Bestandteil, der auch den intensiven gelben Farbstoff verantwortet. Ihm werden antioxidative, antimikrobielle, entzündungs- und vor allem krebshemmende Wirkungen zugesprochen. Spätestens jetzt kommt das Kurkuma liebende Indien, ein Land mit niedrigsten Krebsraten, wieder ins Spiel: Bei 1,5 bis 2 Gramm liegt hier der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch.
Text: Kerstin Rubel. Publikation: Gewürz- und Kulinarikmagazin „pfeffer“ (01/2015). Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie. Bildnachweis: Shutterstock (anyamay, leungchopan, tj_studio, IVASHstudio, szefei)