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Kaiser und Könige beneideten sie einst um ihre edlen Gewänder, Damen von Welt steckten sich ihre Farbenpracht an den Hut und moderne Naturfotografen lauern ihnen auf: Vögel. An ihren bunten Federkleidern kann niemand vorbeischauen, auch nicht die Biologin und Buchautorin Prof. Dr. Christiane Nüsslein-Volhard.

„Menschen finden Farben, Muster und Gesänge von Tieren schön, ebenso wie Kunstwerke, Malerei und Musik. Menschliche Kunstprodukte sind vom Menschen für Menschen gemacht, aber wie steht es mit den wunderschönen Naturprodukten …?“, das fragt keine Geringere als Christiane Nüsslein-Volhard. Für ihre Arbeit, etwa als Direktorin des Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen, erhielt die Biologin zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1995 den Nobelpreis. In ihrem neuesten Werk widmet sie sich – gemeinsam mit Frank Fehrenbach – der „Schönheit der Tiere“. Das ist durchaus bemerkenswert, denn der strenge Forschergeist bemüht selten subjektiv anmutende Attribute wie „schön“; da sich diese kaum oder nur schwer messen lassen.

Nüsslein-Volhard aber gibt sich gerne dem Staunen hin, ganz besonders angesichts der geflügelten Tierwelt: „Im Gefieder des Vogels liegen die Federn dachziegelartig übereinander, und es ist ganz erstaunlich“, so schreibt sie, „dass nur die sichtbaren Teile der Federn gefärbt sind und mit den Nachbarfedern gemeinsam ein Muster bilden, das bei gefaltetem Gefieder erscheint, als sei es draufgemalt.“ Da auffallende Färbungen im Tierreich meist dazu dienen, den sozialen Kontakt untereinander zu fördern, den passenden Sexualpartner zu finden oder auch einen Rivalen auszumachen, müssen auch Tiere Farben erkennen können. Was so banal klingt, wird beim genaueren Hinsehen interessant: Die meisten Säugetiere, so auch Hund und Katze, besitzen in ihren Augen zwei Reflektoren, sogenannte Zapfen, und sehen damit nur die Farben Grün und Blau. Der Mensch und einige Affenarten erkennen zudem Rot, sie verfügen über drei Zapfen. Insekten, Reptilien, Fische oder auch viele Vögel besitzen vier Zapfen. Sie sehen damit auch im ultravioletten Lichtbereich.

Im Rückschluss verwundert es also nicht, dass das Erscheinungsbild von Wellensittich, Zitronenfalter und Goldfisch stets farbenfroher ausfällt als das von Säugetieren. Sie haben einander einfach viel mehr „zu sagen“. „Das hängt wohl damit zusammen, dass ihre Evolution zu einer Zeit begann, als die Dinosaurier die Erde beherrschten und die Vorfahren der Säugetiere, ähnlich den heute lebenden Spitzmäusen, unterirdisch und nachtaktiv lebten, wodurch Farbigkeit verloren gegangen ist“, vermutet Nüsslein-Volhard. Mithilfe einer Multispektralkamera fanden schwedische Forscher nun heraus, dass speziell das ultraviolette Sehen Vögeln dabei hilft, sich in einem unübersichtlichen Dickicht zurechtzufinden. Sie können einzelne Blätter viel deutlicher erkennen und damit unterscheiden, denn Grüntöne besitzen einen unterschiedlich hohen UV-Anteil. Wo ein Mensch nur einen Farbton ausmachen kann, sieht ein Vogel mehrere. Auch viele Früchte reflektieren Ultraviolett und verraten, je nach Ausprägung, etwas über ihre Qualität.

Wie aber kommen die Vögel selbst zu ihrer auffälligen, zuweilen intensiven, gar schillernden Farbe? Eine schlichte Frage, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt. Erst durch das bunte, geradezu kunstvolle Zusammenspiel aus Licht, Pigmenten und feinen Federstrukturen erstrahlt ein echtes Prachtgefieder. Dabei produziert der Vogel Melanine für schwarze, rötliche und braune Töne selbst. Weitere Rot- und Gelbtöne bezieht er aus seiner Nahrung. Findet ein Flamingo in seinem Futter beispielsweise keine Carotinoide, dann verblasst sein rosa Gefieder.

Das ist aber erst der Anfang der Federkunde, wie Nüsslein-Volhard auszuführen weiß: „Die Farben können durch besondere Strukturen in den Federn stark abgewandelt werden. Luftgefüllte Hohlräume lassen Strukturen weiß erscheinen, da Licht aller Wellenlängen gestreut wird; über schwarzem Melanin erzeugen sie blaue Farbtöne“, erklärt sie und weiter: „Blaue und grüne Farbtöne entstehen auch durch melaninüberlagernde Strukturen, die Licht in bestimmten Winkeln reflektieren. Innerhalb von Zellen gebildete Nanostrukturen aus dünnen Plättchen interferieren mit Licht und erzeugen so Schillerfarben oder, über schwarzem Pigment ausgebreitet, blaue Farbtöne. Durch eine zusätzliche, übergelagerte gelbe Farbschicht entstehen grüne Farbtöne.“

Die ganze Angelegenheit ist also kompliziert und, zugegeben, ein wenig verwirrend. Selbst die Biologin Nüsslein-Volhard kommt angesichts dieser Buntheit zu dem Schluss: „Besonders bei Vögeln gibt es die unglaublichsten Farben, Texturen und Muster, aber über deren Entstehung wissen wir so gut wie nichts.“ Beunruhigen muss sie das ebenso wenig wie uns, steht uns doch der Altvater der Farbenlehre, Johann Wolfgang von Goethe, zur Seite: „Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben“, sagt er und fügt gütlich hinzu, „und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“ 


Das geheimnisvolle Rosa des Flamingo

Erst durch ihr Futter – rote Krebse – erhalten einige Flamingoarten ihre rosa Gefiederfarbe. Verantwortlich dafür sind orange-gelbe Carotinoide, die die Flamingos aufnehmen, in ihrer Leber in eigene Pigmente umwandeln und dann im Gefieder einlagern. Auf diese Weise schmückt sich der Vogel nicht nur, er schützt sich auch vor Infektionen. Ein besonders kräftiges Rosa signalisiert seinen Geschlechtspartnern zudem, was für eine gute Partie in ihm steckt. Wer einem Flamingo übrigens eine Feder ausrupft, der erlebt sein rosa-farbenes Wunder: Die Farbe verschwindet.


Text: Kerstin Rubel. Publikation: Zum Hofe (01/2020). Herausgeber: QS Qualität und Sicherheit. Bildnachweis von oben: Unsplash (Allison Cochrane, Gaetano Cessati)